Von Andrej Priboschek

BERLIN. Dutzende von Start-ups, die den Bildungsmarkt erobern wollen, präsentierten sich nun auf einem Treffen in Berlin. Der Einfallsreichtum der Jungunternehmer ist enorm. Die Schulen, das ist absehbar, werden von der heraufziehenden Dynamik auf der Angebotsseite profitieren.

Herausforderung Start-up:: Wer ein Unternehmen gründet, muss mehr im Kopf haben als eine Produktidee. Illustration: Shutterstock

Die Digitalisierung, so heißt es, wird die Schulen revolutionieren. Die Lehrerinnen und Lehrer bekommen ein zusätzliches Instrumentarium an die Hand, ihre Rolle verändert sich – weg vom Dozenten, hin zum Lerncoach –, das Lernen selbst wird offener, selbstbestimmter und kooperativer, die Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schülern und Eltern enger und die Organisation des Schulbetriebs effizienter. Stimmt alles. Dass allerdings noch deutlich mehr passiert, ist bislang nicht so richtig auf dem Schirm präsent: Der Bildungsmarkt steht nämlich vor einem Umbruch. Die gute Nachricht dabei: Das Unterstützungsangebot für die Akteure in den Schulen wächst gewaltig. Eine  Vielfalt von neuen Ideen wird Lehrerinnen und Lehrern den Unterrichtsalltag erleichtern.

Auf einer Start-up-Konferenz von Eduvation, einer Initiative, die sich die Förderung von Gründern im Bildungsmarkt auf die Fahnen geschrieben hat, ließ sich nun die Dynamik des Geschehens beobachten. Dutzende von Jungunternehmer waren auf dem Phorms Campus Berlin Mitte präsent, darunter viele Lehrkräfte und Bildungspraktiker, die mit ihren Erfahrungen aus dem Schul- und Unterrichtsalltag auf hohen Nutzwert setzen – ob es sich dabei um eine Plattform handelt, die unterschiedliche Schülergeräte auf einer einheitlichen digitalen Plattform datensicher bündelt, ein digitales Bestellsystem für Schulbücher, das Stunden an Lehrerarbeitszeit spart, oder um Lernkonzepte zur Medienkompetenz auch schon in Kitas. „Wir brauchen mehr Mut, mehr Ideen, die auch mal scheitern dürfen, aber Veränderung ins System tragen“, forderte Katja Hintze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bildung. Und diesen frischen Wind brächten die Start-ups hinein.

Ideenwettbewerb

Einige davon stellten sich und ihre Ideen in einem Wettbewerb vor, dessen Sieger als deutscher Repräsentant zu den „Global Edtech Startup Awards“ im Januar nach London geschickt wird. Internationale Aufmerksamkeit ist dort garantiert. Entsprechend legten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Zeug, um vor der Jury – darunter Cornelsen-Geschäftsführer Frank Thalhofer und „Bündnis-für-Bildung“-Geschäftsführerin Beth Havinga – und dem Publikum zu bestehen.

Sieger des Abends wurde „Maphi“, eine Mathe-Lern-App, die  den jungen Entwicklern zufolge nichts Geringeres leistet als das Grundproblem der Mathematik-Didaktik zu lösen, nämlich: dass sinnvolles Rechnen erst dann möglich ist, wenn das jeweilige Prinzip verstanden wurde – dass aber Rechnungen nötig sind, um das Prinzip zu verstehen. „Maphi“ setzt auf spielerisches Ausprobieren: Gleichungen lassen sich auf dem Bildschirm variieren. Die Auswirkungen des Handelns werden so unmittelbar erkennbar. Eine Dokumentation des Rechenwegs sowie anschließende Testaufgaben sollen echte Lerneffekte sicherstellen.

Aber auch die übrigen Teilnehmer konnten mit Angeboten überzeugen, die auf große Nachfrage hoffen können, weil sie praxistaugliche Lösungen für akute Bildungsprobleme versprechen – etwa „Binogi“, eine bereits in Schweden erfolgreiche E-Learning-Plattform. Die bietet extrem aufwändig entwickelte Unterrichtseinheiten im Filmformat für MINT-Fächer und möchte damit nun den deutschen Bildungsmarkt erobern. Das Besondere: Die Lektionen sind in sechs Sprachen abrufbar, darunter Arabisch und Dari, sodass auch Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse damit sinnvoll in den Unterricht einbezogen werden können. „Die Integration lässt sich damit um ein Jahr beschleunigen“, so sagen die Anbieter.

Ob „brainimals“, eine Übungsapp für Grundschüler, die sich dank künstlicher Intelligenz an das Niveau des Nutzers anpasst, oder „exclamo“, ein von Schülern entwickeltes Anti-Mobbing-Meldesystem, ob „Story-Planet“, eine Sprachlernmethode, die auf via Whatsapp verschickte Literaturhäppchen setzt oder „StudyHelp“, ein aus einer Studenteninitiative hervorgegangenes Nachhilfeunternehmen – die Präsentationen wirkten allesamt professionell und selbstbewusst.

„Wir wollen das Amazon der Bildung werden“, so kündigte beispielsweise StudyHelp-Gründer Daniel Weiner frech an. Ein vermessener Anspruch? Er scheint jedenfalls nicht völlig abwegig zu sein, wenn man sich die Entwicklung binnen weniger Jahre anschaut:  „Crashkurse für Freunde geben und ihnen damit durch die Prüfungen helfen“ – mit dieser Idee habe die Geschichte angefangen, so heißt es auf der Homepage der Paderborner Jungunternehmer. Mittlerweile beschäftigen die schon 15 Mitarbeiter und sind mit ihren stark nachgefragten Kursen bereits an über 200 Standorte in Deutschland und Österreich expandiert. Mit einem eigenen Verlag sollen jetzt die entwickelten Unterrichtsmaterialien vermarktet werden. Und irgendwann, so der Plan, gibt’s dann eine StudyHelp-Plattform, über die Inhalte möglichst vieler Anbieter abrufbar sind. Wie bei Amazon eben. Agentur für Bildungsjournalismus

0 Kommentare

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert